Hockey Nachrichten

 

In einer eigenen kleinen aber feinen Rubrik beleuchtet Claas Henkel, in Hockey-Deutschland bekannt als Bundesligatrainer beim UHC Hamburg und zuvor Münchner SC, aber eigentlich gelernter Journalist, Themen rund um den Hockeysport in Zusammenarbeit mit der hockey.de-Redaktion. Der 35-jährige Familienvater lädt in der "SprechZeit" immer unterschiedliche Gesprächspartner ein, um in lockerer Form zu plaudern und dabei ihre Meinung, Ideen oder Geschichten zu erfahren.

 

Viel Spaß mit dieser Kolumne!

 

 

 

"Profitum ist in der deutschen Hockeyszene etwas komplett Neues!"

SprechZeit 3: Mit den Welthockeyspielern Moritz Fürste (UHC) und Tobias Hauke (HTHC)

 

24.09.2014 - Jede Ära hat ihre Protagonisten. Die aktuelle und in historischem Ausmaß erfolgreiche Ära der deutschen Hockeymänner wurde von zwei Spielern besonders geprägt: Moritz Fürste (Welthockeyspieler 2012, Weltmeister 2006, Olympiasieger 2008 und 2012, Europameister 2011 und 2013, Hallenweltmeister 2007 und 2011, Halleneuropameister 2012) und Tobias Hauke (Young Player of the Year 2010, Welthockeyspieler 2013, Olympiasieger 2008 und 2012, Europameister 2011 und 2013, Hallenweltmeister 2007 und 2011, Halleneuropameister 2012).

Wenige Tage vor dem mit Spannung erwarteten Hamburger Stadtderby zwischen dem UHC und dem HTHC traf sich Claas Henkel mit den beiden Ausnahmespielern und sprach mit beiden über das Leben eines Welthockeyspielers, das Profitum in der indischen Hockeyliga, den Weg nach Rio und über das anstehende Aufeinandertreffen der beiden im Derby.

 

Claas: Für mich ist heute ein ganz besonderer Tag. Ich sitze hier zum ersten Mal mit gleich zwei Welthockeyspielern an einem Tisch.

Moritz: Glaube ich nicht.

Claas: Doch, doch. Ausschließlich mit zwei Welthockeyspielern zum ersten Mal. Wie darf ich mir Euer Leben als Welthockeyspieler vorstellen?

Moritz: Das muss Tobi sagen. Bei mir ist es schon so lange her, ich kann mich kaum erinnern.

Tobi: Viel hat sich für mich nicht geändert. Natürlich ist diese Auszeichnung eine riesen Ehre. Allerdings spielen wir erstens einen Mannschaftssport und zweitens in einem eher semiprofessionellen Bereich, so dass ich weder unzählige TV-Auftritte zu bewältigen hatte noch etliche Sponsorenanfragen bearbeiten musste. Es ist ein sehr schöner Titel, auf den ich auch stolz bin, aber mein Leben hat sich dadurch null verändert.

Moritz: Ich war damals sehr stolz darauf. Welthockeyspieler, das steht für immer in den Geschichtsbüchern – eine tolle Erinnerung auch an die Titel, die wir zuvor holen konnten. Allerdings hat Tobi Recht, dieser Titel besitzt eher einen persönlichen Mehrwert.

Claas: Klar ist, der Titel „Welthockeyspieler“ beruht auf Euren Leistungen und Erfolgen mit der Nationalmannschaft, und klar ist auch, dass wir in einem semiprofessionellen Umfeld Sport betreiben. Aber hat diese Auszeichnung nicht auch einen monetären Mehrwert für Euch als Vereinsspieler gehabt? Du, Moritz, hast kurz nach der Auszeichnung einen Vertrag in der indischen Liga unterschrieben. Und Tobi hat einen Berufseinstieg bei einem Arbeitgeber gefunden, der ihm die nötige Freiheit einräumt, Hockey als Leistungssport weiter zu betreiben.

Tobi: Klar ist das ein Mehrwert für mich. Allerdings hatte ich den Job schon vor der Auszeichnung zum „Welthockeyspieler“. Wir waren ja auch schon vorher was: Olympiasieger beispielsweise. Die persönliche Auszeichnung ist etwas wert und sicher nicht hinderlich für die Zukunft, aber auf dem Weg dahin brauchst du bereits ein Umfeld, das dich fördert und dich Ausbildung, Berufseinstieg und eben Leistungssport verbinden lässt. Sonst wirst du kein Nationalspieler und mit der Nationalmannschaft eben auch nicht Olympiasieger. Dieses tolle Umfeld hatten wir beide.

Claas: Moritz, wie ist eigentlich Deine Situation in Indien jetzt? Letzte Woche erreichte uns die Nachricht, dass sich dein Club – die Rhinos – aus der Liga zurückgezogen haben.

Moritz: Es gibt zwei neue Clubs und zwei, die die Liga verlassen. Es werden mindestens 20 neue

Spieler versteigert, plus ungefähr zwei pro Team, da nicht alle internationalen Spieler weitermachen. Wir Ex-Rhinos haben einen laufenden Vertrag, aber die rechtliche Situation ist noch total unklar. Uns steht natürlich eigentlich unser Vertragsinhalt zu. Es kann sein, dass wir eine Abfindung erhalten. Es kann aber auch sein, dass es nach indischen Maßstäben normal läuft und gar nichts passiert. Das Franchise hat sich bisher weder bei der Liga noch bei uns Spielern gemeldet und reagiert nicht auf Emails oder Anrufe. Wie es weiter geht, ist momentan völlig offen.

Claas: Dem Nationaltrainer wäre es – wie man hört – nicht unrecht, wenn es nicht weiterginge. Du hättest aber prinzipiell Lust auf eine weitere Saison?

Moritz: Für mich ist das in erster Linie ein Job. Natürlich auch eine tolle menschliche Erfahrung. Dennoch bin ich Spieler der indischen Profiliga, damit ich mir leisten kann, meine Zeit außerhalb meines Studiums so einzuteilen, dass ich die Trainingseinheiten, Interviews wie dieses hier und andere Termine wahrnehmen kann. Auf den Punkt gebracht: Indien gibt mir die Möglichkeit meinen Berufseinstieg etwas nach hinten zu verschieben und mich so ernsthaft einem Ziel wie Rio zu stellen, obwohl ich dann bereits 30 bin. In der deutschen Hockeyszene ist das etwas komplett Neues und für einige vielleicht auch schwer zu verstehen. In anderen Hockeynationen ist das Normalität. Die Holländer in meiner Mannschaft gucken mich mitunter komisch an – für die ist Hockey eh ein Beruf. Dort gibt es keine Debatte darüber, ob die „Natios“ das jetzt machen dürfen. Dadurch gibt es dort auch wenig Nationalspieler, die mit Mitte, Ende zwanzig aus dem Nationalteam aussteigen, weil sie Geld verdienen müssen.

Claas: Tobi, war oder ist Indien ein Thema für dich?

Tobi: Ja. Bisher hat es sich aus verschiedenen Gründen allerdings nicht ergeben. Meine Bachelor-Arbeit, der Berufseinstieg – irgendwas stand dem immer im Weg. In diesem Jahr hatte ich das erste Mal lange überlegt und war auch schon angemeldet für die Liga. Nach einem Blick auf die Termine mit der Nationalmannschaft musste ich es aber leider wieder verwerfen. Ich hätte es gerade jetzt gerne gemacht, aber fühle mich in meinem Job beim HSV auch sehr wohl und möchte hier nicht noch häufiger fehlen. Wie gesagt, der Titel „Welthockeyspieler“ hätte mir einen guten Einstieg in der indischen Liga bereiten können. Ich habe es aber weiter vor.

Moritz: Aus finanzieller Sicht war es für Tobi unter Umständen nicht die richtige Entscheidung. Ich wurde damals ja als aktueller Welthockeyspieler gedraftet und erzielte einen höheren Preis als Jamie Dwyer, was unter normalen Umständen nie möglich gewesen wäre. Für mich war es der Jackpot. Die Inder schauen keine Bundesliga und scouten auch sonst nicht. Die Jungs gucken einfach auf die Listen und wenn du da drauf bist, dann wollen sie dich.

Tobi: Klar, aus finanzieller Sicht wäre es jetzt optimal gewesen. Aber mein Arbeitgeber war bisher sehr entgegenkommend, und den Bogen sollte ich nicht überspannen. Es gilt eben vieles zu bedenken.

Moritz: Nächstes Jahr ist die Situation für Dich vielleicht eh günstiger. Dann laufen ja alle Verträge in Indien aus und es beginnt ein neuer Turn mit einer neuen Versteigerung.

Claas: Momentan ist einiges in Bewegung. So gibt es Überlegungen zu einer Reform der Feldligen. Das Hallenhockey steht sowieso murmeltierartig auf dem Prüfstand. Und immer wieder treffen in diesen Diskussionen Vereins- auf Nationalmannschaftsinteressen aufeinander. Platt gesagt: An Euch „Natios“ wird ganz schön gezerrt. Wie empfindet Ihr die momentanen Debatten?

Moritz: Es gibt nun mal viele verschiedene Interessenträger, in der Wirtschaft würde man von Stakeholdern sprechen. Über allem dürften aber nicht diese Einzelinteressen, sondern müsste das deutsche Hockey stehen und die Frage: Was macht uns eigentlich aus? Das ist zum ersten die Bundesliga, das ist ganz klar auch das Hallenhockey, und das ist die Nationalmannschaft. Wir dürfen jetzt nicht anfangen, wegen eines suboptimal verlaufenen Turniers alles Gute der letzten zehn Jahre über Bord zu werfen, sondern müssen am Ende des Tages gemeinsam schauen, wie wir das alles unter einen Hut bekommen. Es muss im deutschen Hockey ein Verständnis dafür geben, dass es diese eine kleine Stellschraube nicht gibt. Es wird sich nichts zum Besseren drehen, wenn wir kein Hallenhockey mehr spielen. Es wird sich aber auch nichts verbessern, wenn wir einfach so im bisherigen System weitermachen. Natürlich sitzen wir Nationalspieler dabei zwischen den Stühlen. Die Vereine werfen uns vor, wir dächten nur an die Nationalmannschaft, und umgekehrt. Beides stimmt irgendwie, denn die Nationalspieler, die nach Rio wollen, denken eben an alle Interessen und daran, wie wir diese unter einen Hut bekommen.

Tobi: Wir haben in der Vergangenheit mit den gleichen Grundvoraussetzungen große Erfolge gefeiert und sollten jetzt nicht in Panik verfallen. Klar, sind andere Nationen in den letzten Jahren professioneller geworden und investieren bei der Jagd auf uns mehr Zeit. Das heißt aber nicht automatisch, dass wir auch mehr Zeit aufwenden müssen, sondern dass wir in erster Linie unsere Zeit effektiver nutzen sollten. Liga und Verband müssen frühzeitiger und langfristig planen, damit wir die Möglichkeit haben mehr Länderspiele im Jahr zu haben. Kurzfristige Krisenkommunikation bringt uns nicht weiter.

Moritz: Zum Thema Effizienz glaube ich zum Beispiel, dass wir uns eine so lange Winterpause wie bisher nicht mehr lange leisten können.

Claas: Für alle diese Themen ist ja seit einiger Zeit der LSA, der Leistungssportausschuss, zuständig. Sitzt Ihr Spieler dort auch mit am Tisch?

Tobi: Ja. Martin Häner vertritt dort unsere Interessen.

Claas: Wenn Ihr zusammen für die Nationalmannschaft auf dem Platz steht, stellt Ihr eines der stärksten Mittelfeldduos der Welt...

Moritz: (unterbricht) Seit Neustem spielen wir beide im Verein ja in der Abwehr.

Tobi: Innenverteidigung. Freier Mann.

Claas: Und was sagt der Nationaltrainer dazu?

Tobi: Wahrscheinlich wird er jetzt mit zwei freien Leuten spielen müssen.

Claas: Und was passiert mit Martin Häner?

Moritz: Der spielt doch im Verein jetzt sowieso im Mittelfeld.

Claas: ...was ich eigentlich fragen wollte: Was passiert am Samstag, wenn ihr im Derby gegeneinander ran müsst? Diese Duelle zwischen Euch beiden wirkten zuletzt auf mich emotional sehr aufgeladen.

Moritz: Klar, ist das spektakulär und emotional aufgeladen.

Tobi: Das hat aber nicht speziell mit Mo und mir zu tun. Das Derby an sich ist nun mal sehr speziell. Und momentan ist die Stimmung zwischen den beiden Teams auch etwas geladen.

Moritz: In den neuen Positionen treffen wir uns persönlich eh erst zur Verabschiedung.

Claas: Wie geht’s aus am Samstag?

Tobi: Meistens hoch.

Moritz: Der Druck liegt beim Deutschen Meister, besonders auf seinem schwierigen Platz.

Tobi: Sehe ich aus anderen Gründen auch so. Wir haben leider schon was liegen lassen und sollten uns allzu viele Niederlagen nicht mehr leisten. Außerdem haben wir im letzten Jahr zuhause 0:5 verloren. Unser Platz ist inzwischen top. Da hat Mo keine Ausrede mehr. (schmunzelt)

Claas: Ich danke Euch für das Gespräch!

 

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29. März 2024
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