Hockey Nachrichten

 

In einer eigenen kleinen aber feinen Rubrik beleuchtet Claas Henkel, in Hockey-Deutschland bekannt als Bundesligatrainer beim UHC Hamburg und zuvor Münchner SC, aber eigentlich gelernter Journalist, Themen rund um den Hockeysport in Zusammenarbeit mit der hockey.de-Redaktion. Der 35-jährige Familienvater lädt in der "SprechZeit" immer unterschiedliche Gesprächspartner ein, um in lockerer Form zu plaudern und dabei ihre Meinung, Ideen oder Geschichten zu erfahren.

 

Viel Spaß mit dieser Kolumne!

 

 

 

"Eigencoaching zuzulassen, ist ein ganz wichtiger Prozess der Trainerentwicklung!"

SprechZeit 5: Mit den "Leistungstrainern" Bernhard Peters und Markus Weise

 

16.10.2014 - Die Erfolge der deutschen Hockeyherren wurden in den letzten zwei Jahrzehnten von zwei Bundestrainern begleitet, die beide über den Hockeysport hinaus als kluge Köpfe und Visionäre im Sport gelten. Bernhard Peters ist nach dem zweiten WM-Titel 2006 in den Profi-Fußball gewechselt, gerade als Sportdirektor für den Nachwuchs von Hoffenheim zum HSV gewechselt, aber hat den Kontakt in den Hockeysport und zu seinen Spielern aber nie abreißen lassen. Markus Weise ist auch nach dem Olympiasieg mit den Frauen 2004 und den beiden Olympiasiegen 2008 und 2012 nach wie vor für die Geschicke des DHB-Herrenteams verantwortlich. hockey.de-Kolumnist Claas Henkel traf beide in ihrer gemeinsamen Wahlheimat Hamburg zum Doppel-Interview.

Claas: Bernhard und Markus, Eure jeweiligen Titelsammlungen sind bekannt und sehr, sehr beeindruckend. Dennoch hat jeder von Euch etwas, das dem anderen fehlt. Was könnte ich meinen?

Markus: Wir haben uns schon immer hervorragend ergänzt. Daher fehlt niemandem etwas.

Bernhard: Wie immer eine wunderschöne Antwort. Mir ist natürlich bewusst, worauf du anspielst. Ich

kann für mich behaupten, dass mir nichts fehlt. Olympische Spiele sind natürlich ein ganz besonderes und einzigartiges Ereignis. Ich hatte aber auch meine olympischen Geschichten, zum Beispiel als Co-Trainer beim Olympiasieg 1992 in Barcelona. Wenngleich es als Cheftrainer natürlich eine ganz andere Bedeutung hat. Die Spiele 2004 in Athen in der verantwortlichen Position waren eine sehr intensive und kraftraubende Geschichte, an deren Ende wir alle zufrieden und stolz auf die Bronzemedaille waren.

Markus: Ich sehe es ähnlich und denke nicht in der Kategorie, dass mir etwas fehlen würde. Auch nicht der Weltmeistertitel, den Bernhard zweimal geholt hat. Es wäre auch völlig falsch. Im Sport wirst du leider oft ausschließlich über die Erfolge und nicht über die erbrachte Leistung definiert. Die Erfolge sind aber nun mal abhängig von einer ganzen Latte an Faktoren, die du selbst gar nicht beeinflussen kannst. Auch deshalb bezeichne ich mich nicht als Erfolgs- sondern als Leistungstrainer und definiere mich nicht über eine Titelsammlung. Erfolge sind immer ein Abfallprodukt deiner Leistungen. Wenn diese gut sind und etwas Glück hinzukommt, kannst du erfolgreich sein. Kommt das nicht zusammen, kann die Leistung dennoch gut gewesen sein. Würde mir dann was fehlen? Ich glaube nicht.

Claas: Bleiben wir bei der Bezeichnung Leistungstrainer. Vergleiche ich Eure Biografien als Leistungstrainer, ähneln sich die Stationen doch auffallend, nur dass sie zeitlich etwas versetzt sind.

Markus: (unterbricht) Ja, man kann sagen, dass ich jahrelang Bernhard hinterhergelaufen bin.

Claas: Bernhards Weg führte nach der Bundestrainerzeit jedenfalls in den Fußball. Ist dieser Schritt für Dich auch vorstellbar? Anders gefragt: Ist mit dem Bundestrainer-Job Hockey als sportliches Umfeld erschöpft und muss es dann für Dich vielleicht zwangsläufig auch in eine andere Sportart oder schlichtweg in ein finanziell lukrativeres Umfeld gehen?

Markus: Es gibt ganz verschiedene denkbare Möglichkeiten. Natürlich kann man als ehemaliger Bundestrainer auch zurück in einen Verein gehen. Ich sehe daran nichts Verwerfliches. Genauso gut kann man aber auch einen Cut machen, eine neue Aufgabe in der Wirtschaft, der Sportpolitik oder eben in einer anderen Sportart finden. Es muss zum jeweiligen Typ und seinen Lebensumständen passen. Manchmal gehen Türen auf, die hattest du vorher gar nicht auf der Liste. Mein Ziel ist es jedenfalls nicht, im Profifußball zu landen. Allerdings war es vorher auch nicht unbedingt mein Ziel, Bundestrainer im Hockey zu werden. Ich bin sicher anders gestrickt als Bernhard und diese Zwangsläufigkeit, nach der Du fragtest, sehe ich nicht.

Bernhard: Nochmal zum ersten Punkt. Ich bin, oder besser war auch ein Trainer, der stets die Entwicklungsziele und die dahinterstehenden Handlungen einer Mannschaft im Visier hatte. Die Erfolge kamen oder kamen nicht. Die Fußballtrainer sind oft anders konditioniert. Durch den ständigen Druck von Außen, der nicht zuletzt durch die größere mediale Aufmerksamkeit entsteht, arbeiten viele Trainer früh von Ergebnis zu Ergebnis. Doch auch im Fußball sind für mich in der Endkonsequenz die Trainer erfolgreicher, die sich über ihre Arbeit am und im Team und die kreierte Entwicklung der Mannschaft definieren.

Claas: Trotz dieser ergebnisorientierten Umgebung führte es Dich in den Profifußball.

Bernhard: Ich habe bereits als junger Student Hockey und Fußball verglichen. Es gibt schlichtweg viel strukturelle Verwandtschaft zwischen beiden Spielen. Immer wieder habe ich aus Spielbeobachtungen im Fußball Spielformen für das Hockey entwickelt und später anders herum. Und immer wieder habe ich die Arbeit von interessanten Trainertypen im Fußball verfolgt und für meine eigene Entwicklung viel mitgenommen. Daraus hat sich über die Jahre eine gewisse Nähe entwickelt. Aber mein Plan war es nicht unbedingt. Als ich den A-Kader 2000 übernahm, kündigte ich bereits an, den Job vier bis sechs Jahre machen zu wollen. Das damalige Präsidium entgegnete: „Ja, ja. Das sagen sie alle!“. Aber ich meinte es eben auch so. Nach den Olympischen Spielen in Athen waren vor allem die vielen jungen Spieler, die wir damals in das Team geführt und entwickelt hatten, schuld daran, dass ich noch zwei Jahre machte. Ich wusste aber bereits, dass ich im Anschluss erstens eine neue Idee in meinem Leben brauchte und zweitens weiter im Sport tätig sein möchte.

Claas: Ein weiteres Engagement im Hockey war völlig ausgeschlossen?

Bernhard: Das Thema Hockey war für mich durch. Ich hatte 21 Jahre unheimlich viel Energie in dieses System, diesen Verband und diese Mannschaft gesteckt. Ich brauchte unbedingt eine neue Aufgabe für mein Leben.

Claas: Was sind denn eigentlich die Unterschiede zwischen dem typischen Fußball- auf der einen und Hockeytrainer auf der anderen Seite, und welche Rolle spielen die unterschiedlichen finanziellen Rahmenbedingungen?

Markus: Die Anzahl der Jobs im Fußball, mit denen man - wie es so schön heißt – ausgesorgt hat, sind ja durchaus beschränkt. Und sehr wahrscheinlich gibt es eine Vielzahl an hervorragenden Fußballtrainern, die niemals in diese finanziellen Bereiche vorstoßen werden.

Bernhard: Völlig richtig.

Markus: Das heißt, es bedeutet auch für viele Fußballtrainer ein enormes Risiko, ausschließlich auf die Karte Trainer zu setzen.

Bernhard: Die Masse der Kandidaten ist eben nicht vergleichbar. Und für alle gilt: Wenn du keine absolute Überzeugung und Leidenschaft für diesen Beruf hast, egal ob als Leichtathletik-, Fußball- oder Hockeytrainer, dann wirst du keine erfolgreiche Laufbahn starten.

Claas: Es gibt also offensichtlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Dann allgemein gefragt: Was macht den Typus Leistungstrainer aus?

Bernhard: Ich unterscheide drei Kernkompetenzen des Leistungstrainers. Zu allererst die Selbstkompetenz – seine Persönlichkeit. Dann die kommunikative Kompetenz, also die Frage, ist der Trainer in der Lage seine Botschaft rüberzubringen, ist er dabei verlässlich und kann er sich auf Vertrauen stützen. Zuletzt kommt die fachliche Kompetenz. Das heißt, er besitzt ein absolut aktuelles Wissen und Können. Diese Kompetenzen gilt es ständig weiterzuentwickeln. Dazu braucht ein Trainer eine weitere und vielleicht die wichtigste Eigenschaft: Die Fähigkeit, selbst wahrzunehmen, wie ich auf eine Mannschaft wirke. Wie komme ich rüber? Selbstreflektion. Daraus entwickelt sich über die Zeit ein persönlicher Führungsstil. Und Persönlichkeit ist etwas sehr Individuelles. Da kann keiner irgendeinen nachmachen.

Markus: Ich glaube außerdem, dass es ein riesiger Vorteil ist, wenn man – wie wir beide – in allen Altersklassen und bei beiden Geschlechtern Erfahrungen sammeln durfte. Wissen und Können ist wenig wert, wenn es nicht vermittelt werden kann. Und diese Kompetenzen zu erlernen und zu entwickeln, hört nie auf. Man muss immer weiter lernen, Dinge richtig zu transportieren und Leidenschaft zu übertragen, um aus den Spielerinnen und Spielern alles Potenzial rauszuholen. Um mal beim Beispiel der Kommunikation zu bleiben: In einem Projekt mit der Uni Bielefeld durfte ich mich zuletzt per Video mit meinem Coaching auseinandersetzen. Meine Güte, das tat richtig weh, ist aber total wertvoll!

Bernhard: Eigencoaching zuzulassen, jeden Tag lernen zu wollen, sind Prozesse der Trainerentwicklung, die nie aufhören.

Markus: Es klingt banal, ist aber eben keine Banalität.

Bernhard: Du hast es, wie immer, besser auf den Punkt gebracht.

Claas: Bernhard, wie nah bist du eigentlich noch am Hockey?

Bernhard: Ich wäre gern näher dran. Es ist zeitlich leider momentan nicht möglich. Ich versuche zumindest über die Topevents Eindrücke von der Entwicklung im Hockey zu bekommen. So war ich beispielsweise bei der WM in den Haag. Aber ehrlich gesagt, kenne ich mich nach den letzten acht Jahren nicht mehr aus in diesem Sport. Ich bin mir sicher, ich wäre nicht mehr dazu in der Lage, ein guter Hockeytrainer zu sein.

Claas: Bist du denn aber in der Lage, über die Eindrücke aus den Haag die Entwicklung der DHB-Teams zu beurteilen?

Bernhard: Ich kann es natürlich nur von außen bewerten und sehe große Unterschiede zwischen den Damen und den Herren. Meine Freundschaft zu Jami Mülders hat mich ja dazu gebracht, entgegen meiner festen Gewohnheit auch mal Damenhockey zu schauen. Aus meiner Sicht sind die Damen der Musik in vielen Bereichen deutlich hinterhergelaufen. Bei den Herren sehe ich immer noch eine absolute Topmannschaft, die zwei Spiele unter teils unglücklichen Umständen 0:1 verliert und damit in einer engen Konkurrenz das Halbfinale leider knapp verpasst. Das Ergebnis hat sich sicher keiner gewünscht. Ich habe von den Jungs dennoch Spitzenleistungen gesehen. Das zeigt mir, dass es weiterhin echte Toptalente gibt, die systematisch in den Spitzenbereich entwickelt wurden.

Claas: Markus, wie intensiv verfolgst du Bernhards Weg und seinen Schritt zum HSV?

Markus: Wir haben die letzten Jahre in einem Umfang Kontakt gehalten, mit dem wir beide ganz gut Leben konnten. Für mich war es keine Überraschung, dass er in Hamburg aufschlug. Diese Baustelle hat ja derart nach Peters geschrien. Und jetzt sind eben nur noch sechzehn Clubs übrig.

Claas: Ich danke Euch für das Gespräch.

 

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19. April 2024
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